Wir haben uns fast schon daran gewöhnt. Schnöde Pflichterfüllung. Tag für Tag. Tagein, tagaus. Kaum Abwechslung nicht mal im Fernsehprogramm. Man freut sich schon fast über die Ukraine-Krise. Wenigstens mal keine Spritzen in Oberarme von älteren Menschen oder Kindern. Eine Weile tat mir der Oberarm schon vorm Einschalten der Tagesschau weh. Ob die Medien glauben, dass man allein dadurch immun werden kann, dass man jeden Abend anderen beim Impfen zuschaut? Oder gibt es auch für die Nachrichten eine Impfquote, die es zu erfüllen gilt? Unter drei gespritzten Oberarmen je Sendung ging lange Zeit nichts...
Brav und vernünftig ertragen wir alle Einschränkungen, die mit der Situation einhergehen, verzichten auf Vergnügen und Kontakte in der realen Welt. Verlagern unser Sein in die Welt der Arbeit und des Netzes. Sind mehr online als an der frischen Luft. Wen stört's, lange Zeit war es draußen eh nur grau in grau und zwischenmenschliche Kontakte enden ohnehin meist im Austausch von Frust und Beschwerden, wenn nicht gar in haarigen Diskussionen. Bad vibrations everywhere.
Wo bleibt der Ausgleich, das Ventil, die Inspiration, die Abwechslung, der Austausch, die Leichtigkeit? Woher soll die Kraft kommen, die Motivation, der Elan? Der Begriff Vorfreude wird wohl demnächst mangels Anwendungsfall aus dem Duden gestrichen! „Battery low“ könnte man sagen, wenn man ein technisches Gerät wäre.
Es ist ja nicht so, dass wir es nicht versucht hätten. Na das Beste daraus zu machen. Sich nicht hängen zu lassen. Workout mit Youtube, Chorprobe mit Zoom, Zumba via MS Teams, Yoga mit Katze. Alles im Wohnzimmer oder wo auch immer in der Wohnung ein Eckchen Platz und Duldung durch die Familie zu finden war... Die Meinung der Nachbarn konnte allerdings nicht noch extra eingeholt werden und ich frage mich, ob der Architekt unseres mehrgeschossigen Wohnhauses bei der Berechnung der Statik wohl den Sprungteil der Zumba-Choreografie vor Augen hatte. Ich halte mich also lieber zurück und mache das Ganze im Sinne des nachbarschaftlichen Friedens und mit Blick auf bröckelnden Putz und bröckelndes Verständnis nur selten mit.
Der Chor sucht wahrscheinlich immer noch nach der Harmonie. Gibt es eigentlich schon Algorithmen, die den Grad der Verstimmung innerhalb einer Gruppe optisch sichtbar machen können? Außerhalb der „sozialen“ Medien, meine ich. Dort scheinen sich ohnehin eher die schiefen Töne zu verstärken.
Wie auch immer, die Dynamik will sich digital so oder so nicht richtig übertragen. Und wo bleibt da...wie hieß das Wort nochmal...achja – der Spaß???
Seit drei Wochen darf zumindest ein Teil von uns wieder in die Tanzschule. Sie ist wieder auf und es konnte auch eine Trainerin für unseren Zumba-Kurs reaktiviert werden. Es geht los mit Erwärmung. Die Musik wird aufgedreht, wir kommen in Schwung, bewegen uns synchron zu lateinamerikanischen Rhythmen, Pop und Hip-Hop. Tanzen, springen - ohne Sorge vor Statikproblemen, genervten Nachbarn oder dem Spott der Familie. Wir lassen uns von der Energie der Trainerin anstecken, shaken, boxen, jumpen, lachen und drehen uns mit ausgestreckten Armen im Kreis - an dieser Stelle passt der „Move“ gerade besonders gut zum „Groove“ - und auf einmal: Da ist es! Aus den Tiefen meiner Seele kommt es hervor - das Glücksgefühl!!! Es ist wieder da! Ich will definitiv mehr davon! Und auch das, was man als Paradoxon „der Energiegewinnung aus dem Nichts“ bezeichnen kann: Aus der Erschöpfung nach dem Kurs ziehe ich umso mehr Energie für alles andere. Fühle mich lockerer, mutiger, lebendiger. Wenn das keine Anerkennung als nachhaltige Energiequelle findet, dann: Adieu mon ami!
Also danke, liebe Tanzschulen, dass ihr nicht aufgegeben habt, dass ihr noch da seid, dass ihr trotz aller Schwierigkeiten weiter macht! Die Welt braucht solche Orte des Loslassens - egal ob Tanz- oder Musikschule, Fitnessstudio, Theater, Kabarett, Karaokebar und natürlich auch Sportveranstaltungen, Partys und Konzerte!
Wie schlimm muss es sich vor allem für die Jugend anfühlen, so ein lange Zeit nicht mehr in die Clubs oder zu Konzerten gehen zu können? Musik in einer Lautstärke und Intensität zu erleben, dass man sich ihrer Wirkung gar nicht mehr entziehen kann. Diese Stimmung gemeinsam mit vielen anderen zu feiern, sich davon durch die Nacht tragen zu lassen. Den Alltagsfrust einfach mal auszublenden.
Kann man eigentlich vergessen, was man empfindet, wenn man selbst etwas Tolles erlebt im Gegensatz dazu, nur anderen dabei im Netz zuzusehen? Vielleicht nicht, wenn man diese Erfahrung schon machen konnte. Aber zwei Jahre Stillstand ist eine verdammt lange Zeit, gerade in der aufregendsten Phase des Lebens.
Und nein, es geht nicht um Vergnügungssucht, es geht um einen ganz normalen Ausgleich zur täglichen Pflichterfüllung und nicht zuletzt um die Mobilisierung frischer Energie für neue Aufgaben und Herausforderungen. Und um echte, weil ganz analoge, zwischenmenschliche Begegnungsmöglichkeiten in lockerer Atmosphäre.
Mit mehr Entspannung kann vielleicht auch der ein oder andere Graben der Gesellschaft wieder leichter überwunden werden, Aggression abgebaut werden.
An alle Betreiber von Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten - für euch bin ich mir nicht zu schade, die Backstreet-Boys - SORRY -, ich meinte natürlich die anderen Boys: Take That,
zu zitieren: We want you back for good!!!
An alle Musikfreunde mit unterdrückten Glücksgefühlen - es ist nicht verboten, im Auto die Musik laut aufzudrehen und lauthals mitzusingen! Versucht mal Bohemian Rhapsody von Queen – eine Offenbarung!!!
Look up to the skies and see...
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