Es werde Licht

Veronika Ahnert • Dez. 31, 2021
Als Gott sprach, „Es werde Licht!“, ob er wohl das Spektakel vor Augen hatte, was sich alljährlich in der Vor-, Während- und Nachweihnachtszeit in deutschen und vor allem sächsischen Landen an Fenstern, Hauswänden und in den Vorgärten abspielt?
Beim ersten Anzeichen der Dämmerung erfolgt straßen-, ortschafts- ja gar landstrichweit eine Erleuchtung unabhängig jeglicher Konfession der Beleuchter, um nicht der Illuminati zu sagen, sodass es Jesus vermutlich eine wahre Freude gewesen wäre, dies zu beobachten.
Selbst streng unreligiöse Stromkabelbesitzer machen gerne bei diesem Lichtspiel mit, vereint im Glauben an die Wirkung des Lichts und … der Unerheblichkeit der Energieverschwendung.
Wer kann schon verleugnen, dass ein beleuchtetes Fenster in dunkler Winternacht, die zur Zeit durchaus noch kalt ausfallen kann, für Leben und Gemütlichkeit steht. Dort wo ein Licht brennt, lockt Geselligkeit, Wärme, Speis und Trank. Da gibt es Strom für den Fernseher und für das Smartphone-Ladegerät!
In Zeiten der zeit- und ferngesteuerten Beleuchtung kann sich das allerdings schnell als Trugschluss herausstellen und man kann froh sein, dass in hiesiger Gegend nur selten einsame Wanderer auf Hilfe von Fremden angewiesen sind.
Doch wenn gar keiner zu Hause ist, warum wird trotzdem geleuchtet? Will man überhaupt Fremde damit anlocken und einen Platz am Herd anbieten oder geht es um ganz was anderes?
Unternimmt man eine Lichterfahrt durchs Erzgebirge, kann man noch die weihnachtliche Romantik des Brauchtums spüren, Zusammengehörigkeit, Tradition, Gastfreundschaft und Werbung für das eigene Kunsthandwerk. Ja, im Winter kann das Erzgebirge glänzen... und das nicht nur bei den Inzidenzen.
Doch abseits der Touristenrouten scheinen sich aus unerfindlichen Gründen wesentlich eindringlichere, wenn nicht gar aufdringliche Werbemethoden durchzusetzen. Da reicht nicht ein Schwibbogen und ein Stern je Fenster. Nein! Da passen mindestens zwei Lichterbögen hin, ein Stern ganz oben, in der Mitte zusätzlich zwei leuchtende Fensterbilder und ringsherum eine Lichterkette samt Blink-, wenn nicht gar Farbwechselmechanismus. Wenn man diesem Schauspiel mehr als eine Minute aus näherer Entfernung zusieht, wird man entweder hypnotisiert oder hochgradig aggressiv. Die Stimmung der Wohnungsinsassen mag man sich gar nicht vorstellen. Soll es vielleicht ein Signal an Einbrecher sein? 'Wir geben gerne Geld für Technik aus, hier gibt es nicht nur tolle Leuchtketten sondern auch einen Mega-Flachbild-Fernseher! Kommt einfach wieder, wenn nichts mehr leuchtet, dann schlafen wir nämlich gerade.'  Oder zielt die grelle Lichtshow eher darauf ab, die Nachbarn vom Haus gegenüber zu ärgern?
Dieses Bild, was im Kleinen vielleicht noch zu ertragen wäre, potenziert sich an sechs bis elf-geschossigen Plattenbauten bis in den optischen Wahnsinn. Leider scheinen sich die Mieter untereinander nicht auf ein gemeinsames Beleuchtungskonzept einigen zu können oder zu wollen und heraus kommt ein kunterbunter Lichtsalat, wenn nicht gar Lichtverschmutzung! Ein Zeichen für ein kollektives, illuminiertes ADHS-Syndrom?
Aber auch in gepflegten Eigenheimsiedlungen ist man vor ungewollter Erleuchtung nicht mehr sicher. Der Wettbewerbsgedanke scheint auch hier den Groll über gestiegene Strompreise völlig zu verdrängen und jeder noch so kleine Halm am Strauch hat ein Lämpchen einer Lichterkette zu tragen, welche dem Außenstern sowie diversen Leuchtfiguren aus dem Tier- oder Weihnachtslandreich Gesellschaft leisten. Ist der Umfang der Weihnachtsbeleuchtung etwa zum Statussymbol geworden? Wer hat den größten...Außenschwibbogen, das ist hier die Frage!
Je kleiner die Siedlung, umso größer scheint dabei der Drang, mit seiner eigenen Lichtshow ein Zeichen setzen zu wollen. Wechselnde Bilder werden an Hauswände projiziert, ganze Hauskanten mit Lichtern nach amerikanischem Vorbild versehen, sodass der Coca-Cola-Truck sein Ziel nicht verfehlen kann, sollte es ihn je hierher verschlagen! Aber was ist die Botschaft?
Ein Fremder würde bei diesem Anblick sicher denken, dass ihn Gastfreundschaft und großer Wohlstand erwarten...
Vielleicht soll dieses Signal noch viel weiter ausgesendet werden – an außerirdische Lebensformen etwa! Wer braucht schon teure NASA-Projekte um Kontakt zu Bewohnern fremder Planeten zu knüpfen, wenn er das Erzgebirge samt Umland hat! Auch hier wird klar vermittelt: 'Kommt her, auf unserem Planeten gibt es noch genug Ressourcen, um Energie zu erzeugen!'
Oder ist der ganze Beleuchtungs-Hype doch nur dem dringlichen Wunsch nach einer heilen, sorgenfreien Welt geschuldet und soll über unbequeme Realitäten hinweghelfen?
Tja, allein durch Stimmung hat sich leider noch nie was geändert. Aber, war da nicht auch noch was mit Besinnung? Frohes Fest!
von Veronika Ahnert 22 Dez., 2023
Nichts märchenhaftes gibt es zu berichten. Der Taumel zwischen Leit- und Leidbild, Parlamentarismus und Populismus, nimmt in der Sturmflut der Polemik schwindelerregende Formen an. Und welche Rolle spielt nochmal die Berufswahl? Eure Kinderbuchautorin
Eisberg auf dem Stausee
von Veronika Ahnert 21 Aug., 2023
Das Sommerloch im Eisberg Wer am heutigen Sommertage den Weg zum Stausee fand, dem bot sich ein gar seltsames Bild. Die Spitze des kolossalen Eisberges – der schwimmenden, makroplastischen Attraktion des kommunalen Freibadbetriebes für kletterfreudige und springmutige Badegäste – war in sich zusammengesackt und die Überreste des Ungetüms bekamen dadurch in der nachmittäglichen Hitze schon fast einen realen Anschein. Die Luft war teilweise raus, übrig blieb ein unförmiger, übergroßer weiß-grauer Sack – der Anblick war entsprechend jämmerlich. Rot-weiße Absperrbänder weisen das Objekt nunmehr als Verbotszone aus. Schon die Kassiererin am Einlass informierte vorsorglich: „Der Eisberg schmilzt.“ Mangels offizieller Informationen trieben daraufhin die ersten Spekulationen unter den auf dem frisch gemähten Rasen verweilenden Gästen der Seeanstalt ihre Blüten. Sollte es sich hierbei um eine neue Protestaktion von Umweltaktivisten handeln? Nach dem Motto 'Einen Eisberg auf Mineralölbasis nur zu Vergnügungszwecken künstlich herzustellen und mit den dabei produzierten Emissionen zum Klimawandel und in Folge zur Eisschmelze also der Vernichtung seines natürlichen Vorbildes beizutragen, ist krank!'? Aber kein Transparent ist zu sehen und niemand scheint am schwimmenden Riesenwackelpudding festzukleben. Oder ist das Ganze etwa der dezente Versuch von 'woken' Zeitgenossen, einen Fall von kultureller Aneignung zu verhindern? Ein Eisberg hat schließlich in hiesigen Breiten nichts verloren, außer vielleicht in der frühzeitlichen Ausstellung des Naturkundemuseums. Wie würden sich wohl die ohnehin durch Lebensraumverknappung gestressten Eisbären aus der Arktis bei diesem Anblick fühlen? An die hat mal wieder keiner gedacht! Aber beide Gruppierungen würden ihre Aktionen wohl kaum so lange geheim halten. Das Rätselraten geht weiter. Stand nicht neulich was in der Zeitung von diesem Kunstprojekt, ähm, 'Begehungen', oder hieß es doch 'Beschwimmungen'? Handelt es sich etwa um eine Life-Performance einer avantgardistischen Künstlergruppe zur Versinnbildlichung der Folgen des Klimawandels? Beim Badpersonal gibt man sich ahnungslos, es hätten sich keine Künstler gemeldet, man geht eher von Materialverschleiß in Verbindung mit unkontrollierter Wettereinwirkung aus, d. h. von höherer Gewalt. Der zufällig anwesende Kunstexperte Eberhard W. aus C. hält gerade diese Erklärung für den Beweis, dass es sich hier „um eine neue bemerkenswerte Dimension von zeitgenössischer Kunst handelt, die die darstellerische Kraft des scheinbar zufälligen Zusammenspiels zwischen dem Werk und der existenziellen Gewalt der natürlichen Elemente orchestriert, wobei der Künstler oder die Künstlerin durch seine oder ihre gewählte Anonymität, die Aufmerksamkeit gezielt auf die aus der Unerklärlichkeit entspringende Radikalität der Installation lenkt und in metaphysischer Weise ihre Expressivität ins Dramatische steigert. An symbolischer Strahlkraft nicht mehr zu überbieten. Einfach phänomenal!“ Die Generaldirektion der städtischen Kunstsammlungen kann bis zum Redaktionsschluss nicht beantworten, wer die Performance kuratiert hat. Sollte es ein Angebot für eine Ausstellung dieses Ausnahmewerkes geben, werde man dieses prüfen. Geeignete Flächen wären zum Beispiel auf dem Theaterplatz, aber auch, je nach der vom Künstler gewünschten politischen Relevanz, auf dem Dach des Kaufhauses im Stadtzentrum oder einem Parkdeck denkbar. Zur Not könnte auch wieder der Schlossteich als Freiluftgalerie für experimentellen Schrott – Verzeihung – Kunst herhalten. Die Leitung des Freibades verweist bei den nun zunehmenden Presseanfragen nur genervt auf die immensen Reparaturkosten. Der Begriff Haushaltsloch bekommt durch den defekten Eisberg eine neue Bedeutung für die ohnehin finanziell angespannte Situation der Stadt. Das lokale Tagesblatt „Morgen wird’s auch nicht besser“ überlegt, eine Titelstory über den ominösen „Stecher vom Stausee“ (Herkunft und Alter leider noch unbekannt, er trug aber vermutlich eine blaue Hose und ein schwarzes Shirt und hatte eventuell einen Bart) herauszubringen. Hierfür könnte man zwar keine Fakten bieten, aber die mit der bloßen Vermutung zu erreichenden Klicks und Verkaufszahlen würden die kleine Interpretation der Realität schon rechtfertigen. Ein Eisbergloch zur Stopfung des Sommerlochs kommt doch wie gerufen! Die Biologin Birne äh Birte Borken-K. gibt Entwarnung: „Aufgrund der Größe der Plastik besteht für die hiesige Flora und Fauna keine unmittelbare Gefahr. Ein Übergang der Materialien in die Nahrungskette von Seebewohnern wie der Stauseebrasse durch z. B. Verschlucken ist im Gegensatz zu Mikroplastik nahezu ausgeschlossen. Ein weit größeres Verschmutzungsrisiko für das Biotop stellen die Badegäste selbst mit ihren Einträgen toxischer Mischungen aus Sonnencreme, Kosmetika und Schweiß dar. Falls hier also jemals ein lebender Fisch gefunden wird, würde ich dringend vom Verzehr abraten. Der ist mindestens so krebserregend wie die Currywurst am Imbiss.“ Doch was sagen die nicht so kunst- oder ökologiebewanderten Besucher des Bades, die zufälligen Betrachter der rätselhaften Skulptur? Geronimo D., 11 Jahre: „Or nöh!!! Echt blöd! Ich will klettern!“ Joy-Esprit D., 6 Jahre: „Mama, mir ist langweilig!“ Enrico D., 38 Jahre: „Das kann doch wohl nicht wahr sein! Vierzehn Euro Eintritt und dann funktioniert der Eisberg nicht! Nicht mal das kriegt der Staat geregelt! So 'ne Schweinerei! Da muss ein neuer Sch...Eisberg her!“ Diana N.-D., 36 Jahre: „Jetzt reg dich nicht schon wieder auf Schatz, Eisberge sind doch zur Zeit nicht so leicht verfügbar, sagen sie doch in den Nachrichten!“ Enrico D., 38 Jahre: „Verdammte Sanktionen! Ich hab's dir gleich gesagt, am Ende müssen immer wir hier bluten!“ Diana N.-D., 36 Jahre: „Ruhig Enriggo! Außerdem seid ihr das letzte Mal doch auch nicht raufgeklettert.“ Geronimo D., 11 Jahre: „Dieses Mal wollt ich aber! Ischwör!“ Diana N.-D., 36 Jahre: „Wie wär's mit 'nem Eis?“ Geronimo D., 11 Jahre: „Neh, ich will 'ne Currywurst! Mit exra viel Pommes!“ Eberhard W., ohne Altersangabe: „Extra. Nicht exra.“ Geronimo D., 11 Jahre: „Was laberst du denn Opa? Stirb lieber! Ist besser für die Rentenkasse!“ Diana N.-D., 36 Jahre: „Nicht vor dem Schwimmen!“ Joy-Esprit D., 6 Jahre: „MIR IST langweilig!“ Geronimo D., 11 Jahre: „Ich geh doch in diesem Opferbad nicht schwimmen, wo die noch nich mal nen richtigen Eisberg haben! W-Lan is auch nich! Wann krieg ich endlich meine Currywurst?“ Enrico D., 38 Jahre: „Da hätten wir auch gleich zu Hause bleiben können, da können die Kinder wenigstens fernsehen!“ Diana N.-D., 36 Jahre: „Schatz, jetzt stell dich doch schon mal an. Vielleicht kriegen wir hier wenigstens was zu essen. Nicht das die Wurst dann auch noch aus ist!“ Marianne S., 62 Jahre: „Entschuldigung, ich stehe hier auch an!“ Enrico D., 38 Jahre: „Bei Ihrer Figur sollten Sie sich das nochmal überlegen!“ Marianne S., 62 Jahre: „Wie bitte? Also was fällt Ihnen ein! Harald?“ Und auf den demolierten Eisberg angesprochen: „Der stört mich nicht. Ich lieg' immer dort ganz hinten, mit dem Harald, unter den Bäumen, da seh' ich den kaum ohne Brille. Früher gab es das hier sowieso nicht! Da haben die Kinder noch Federball gespielt.“ Harald S., 67 Jahre: „Ich finde, das Ding sieht hässlich aus. Wenn er schon kaputt ist, sollte man ihn aus dem Blickfeld schaffen. Wer schaut sich schon gern alte Dinge an, die quasi dem Untergang geweiht sind!“ Marianne S., 62 Jahre, betrachtet ihren Gatten und verkneift sich einen Kommentar. „Man könnte ihn doch ausstopfen!“, ruft die Imbissverkäuferin dazwischen. Marianne S. verzieht erschrocken das Gesicht, bis ihr klar wird, dass der Eisberg gemeint war. Ein an der naturwissenschaftlichen Fakultät der hiesigen Universität eingeschriebener Student, der nicht namentlich genannt werden will und auch sein Alter nicht preisgibt, meint im Vorübergehen: „Vielleicht sollten wir uns an ein Leben ohne Eisberge gewöhnen. Und ohne Currywhh“, will er ergänzen, als seine Freundin ihn schnell von der Schlange am Imbiss wegzieht, bevor die Lage eskaliert. Geronimo D., 11 Jahre: „CURRYWURST!“ Joy-Esprit D., 6 Jahre: „LAAANGWEILIG!!!“ Harald S., 67 Jahre: „Hässlich!“ Der Kämmerer der Stadt: „Teuer!“ Eberhard W., ohne Altersangabe: „Exravagant!“ Deutschland. Ein Sommermärchen?
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Deutschland streikt. Auf unterschiedliche Weise. Ein Vergleich zwischen dem Streik der Gewerkschaften und der Klimakleber, um die extrem verschiedenen Reaktionen zu verstehen. Spoiler-Alarm: es gelingt nicht...
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Mein kleiner Beitrag zur Lesung des 1. Chemnitzer Autorenvereins im Rahmen der interkulturellen Wochen. Zwei Erlebnisse aus diesem Sommer bewegten mich zu diesem Plädoyer für Neugier, interkulturelle Verständigung und Sprachkurse...
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Ich betrachte Konfliktlösungsstrategien am praktischen Beispiel und stelle verblüffende Zusammenhänge zu physikalischen und psychologischen Wechselwirkungen fest.
von Veronika Ahnert 27 Feb., 2022
Ich versuche, den von Putin in den letzten Tagen ausgelösten Schockzustand zu verarbeiten. Ich sehe dunkle Zeiten auf uns alle zukommen und habe keine Lösung aber wenigstens ein Gedicht parat.
Regenbogen meets Garagenkomplex
von Veronika Ahnert 14 Feb., 2022
Auf der Suche nach Glücksmomenten im Alltagsgrau. Ein Plädoyer für die echte, nicht-digitale Welt. Und der dringliche Wunsch an alle Betreiber von Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten durchzuhalten, da zu bleiben!
Straßenbahn in Chemnitz
von Veronika Ahnert 29 Dez., 2021
humoristischer Blick auf die Herausforderungen im Alltag mit Corona am Beispiel einer Straßenbahnfahrt mit Maske
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